August 31, 2021

Ärzte wollen praktizieren und sich nicht im Papierkram verlieren.

Foto einer Ärztin
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Auf welche Herausforderungen treffen Ärzte, wenn sie sich niederlassen und eine Praxis gründen oder übernehmen möchten? Wie wird eine Arztpraxis finanziert? Wer hilft ihnen, wenn Sie eine Niederlassung als Arzt planen? Wir sprachen mit Dr. Kirsten Eberhardt, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Osnabrück, über ihre Erfahrungen beim Aufbau einer eigenen Arztpraxis.

Fleming: Hallo Frau Dr. Eberhardt, Sie sind niedergelassene Ärztin und führen eine eigene Praxis. Wie haben Sie Ihre Arztpraxis finanziert?

Dr. Eberhardt: Ich habe mir von drei Banken Angebote eingeholt und mich schließlich für einen KfW-Kredit entschieden, der über einen lokalen Anbieter vermittelt wurde. Gewünscht hätte ich mir einen unabhängigen Anbieter, der individuell angepasst verschiedene Produkte vergleichend darlegt. Die meisten Mediziner befassen sich in ihrem Arbeitsalltag schließlich nur selten mit Finanzierungsfragen und den zahlreichen Möglichkeiten einer Kreditaufnahme.

Fleming: Wofür haben Sie die Praxisfinanzierung genutzt?

Dr. Eberhardt: In erster Linie für den Kauf der Praxis und den KV-Sitz. Dazu kamen die Kosten für Umbauarbeiten und den Erwerb von Praxisinventar, die Neuanschaffung von Geräten und eines IT-Systems. Bei einem Praxisaufbau kommt einiges zusammen. Wenn die Praxis öffnet, benötigen sie natürlich auch Mitarbeiter. Da kommen also noch Löhne und Gehälter sowie Betriebsausgaben auf die Praxisinhaber zu, die mit der Finanzierungssumme bezahlt werden.

Fleming: Wozu benötigt eine Arztpraxis eine Finanzierung für Betriebsausgaben? Trägt sich eine Arztpraxis finanziell nicht selbst?

Dr. Eberhardt: Eine Arztpraxis sollte natürlich irgendwann kostendeckend und mit Gewinn wirtschaften. Doch in der Anlaufphase einer neu eröffneten Praxis entstehen erstmal Kosten, denen noch keine oder kaum Einnahmen gegenüberstehen. Die Abrechnungen mit den Krankenversicherungen und die eingehenden Zahlungen sind immer zeitverzögert. Dasselbe gilt für Privatrechnungen. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sollten gerade in der Anfangsphase damit rechnen, dass die ersten Zahlungen durch die Kassen erst nach ein bis zwei Quartalen eingehen. Die Kosten für Miete, Gehälter und sonstige Betriebsausgaben haben sie in dieser Zeit natürlich trotzdem.

Fleming: Gab es bei der Finanzierung Ihrer Praxis besondere Herausforderungen?

Dr. Eberhardt: Die große Herausforderung für mich war das Abschätzen der auf mich zukommenden Kosten in Relation zu den möglichen Einnahmen, die ich mit meiner eigenen Praxis erzielen kann. Also wieviel benötige ich für die Betriebsausgaben, die Steuer, für meinen persönlichen Eigenbedarf. So geht es wahrscheinlich vielen Medizinern, die aus einem Angestelltenverhältnis kommen und sich mit Niederlassungsabsichten beschäftigen

Fleming: Welche Schwierigkeiten erwarten Ärzte denn noch bei der Finanzierung einer eigenen Praxis?

Dr. Eberhardt: Problematisch fand ich manche angebotenen Finanzierungsmodelle. Die Nachteile sind nicht immer gleich ersichtlich. Zum Beispiel finde ich, dass das Angebot einer Lebensversicherung als Finanzierungsinstrument einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Ein weiteres Problem sind natürlich auch die langen Laufzeiten von Investitionskrediten. Bei der Praxisfinanzierung kommt man da natürlich kaum dran vorbei. Aber bei der Finanzierung der Betriebsausgaben sind solche Langzeitkredite unnötig. Wozu sollte ich eine höhere Kreditsumme mit zehn Jahren Laufzeit aufnehmen, wenn ich damit nur für ein bis drei Jahre die Betriebsausgaben vorstrecken will? Die Zinsen belasten die Praxisbilanz enorm und das für eine lange Zeit. Dessen sollten sich Ärzte, die sich niederlassen möchten, bewusst sein und lieber nach Alternativen Ausschau halten.

Fleming: Was würden Sie Ärzten denn noch raten, die sich niederlassen möchten? Welche Tipps gibt es für die Finanzierung einer Arztpraxis?

Dr. Eberhardt: Wichtig ist, dass sie sich einen Finanzierungspartner suchen, der Kredite am besten möglichst kurzfristig bereitstellen und zügig eine Kreditlinie einräumen kann. Die Bearbeitungszeiten sind bei vielen Banken nämlich sehr lang. Die Prozesse sollten schnell und unkompliziert sein. Denn Ärzte wollen praktizieren und sich nicht im Papierkram verlieren. Doch der analoge Aufwand ist bei Banken enorm. Weiterhin sollte ein Dialog mit dem Finanzierungsberater möglich sein, wenn es um individuell zugeschnittene Darlehen für Investitionen und Geräteanschaffungen geht. Und nicht zuletzt möchte ich Ärzten mit Niederlassungsabsichten raten, auf die Beratungszeiten und Beratungsmöglichkeiten des Finanzpartners zu achten. Wie oft musste ich zu Sprechstundenzeiten meiner Praxis Termine in der Bank wahrnehmen. Hier sind Online-Beratungsangebote – auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten – deutlich kundenfreundlicher.

Fleming: Frau Dr. Eberhardt, wir danken Ihnen herzlich für das informative Gespräch.

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